Karl Markovics liest Karl Kraus zu dessen 150. Geburtstag in Wien

Wider die Kriegslüsternheit

Zum 150. Geburtstag von Karl Kraus veranstaltet der genialisch-schräge Schauspieler Karl Markovic eine Lesung mit Musik im Wiener Konzerthaus

Von Robert Jungwirth

(Wien, 28. April 2024) Er stehe extra spät auf, bekannte Karl Kraus einmal ironisch in einem seiner Texte, damit er die Morgenausgaben der Tageszeitungen nicht lesen müsse. Wenn er sie nicht lese, sei der Tag gerettet. Ein guter Tag ist ein Tag ohne Zeitung. Das galt in den 10er und 20er Jahren des 20. Jahrhunderts ebenso wie es heute gilt. Nur muss man heute auch noch die Internet-Nachrichten mit dazu nehmen, die ja noch viel fragwürdiger sind als die gedruckten Zeitungen. Karl Kraus würde sich winden vor Wut, Ärger und Spott angesichts des ganzen Mülls, der aus dem Netz dem ungeneigten Leser entgegen quillt.

Zum 150. Geburtstag des großen Zeitungslästerers, Mahners gegen die verdummende Phrasendrescherei von Journalisten und Politikern und Propheten des Untergangs hat der schräg-genialische Schauspieler Karl Markovics zusammen mit den Neuen Wiener Concert Schrammeln im Wiener Konzerthaus eine musikalische Lesung aus Texten von Kraus veranstaltet. Und dabei einen Rezitationsfuror entfacht, der der Wirkmächtigkeit des Kraus’schen Originals vermutlich kaum nachsteht. An eben diesem Ort nämlich hat Kraus selbst über viele Jahre hinweg seine berühmt-berüchtigten Rezitationsabende abgehalten. Auf 170 brachte er es dort, mit dem frenetischem Applaus seiner Fans bedacht. Denn Kraus, der ursprünglich einmal Schauspieler hatte werden wollen, hat eine ganz eigene, hochvirtuose Vortragskunst als Rezitator entwickelt, die zwischen Gesang und gesprochener Sprache hin- und herwechselte.

Schon vor dem Ersten Weltkrieg hat Kraus gegen Krieg und Kriegslüsternheit gewettert, danach umso mehr. Vor allem natürlich in seinem ominösen Lese- und Vorlese-Drama „Die letzten Tage der Menschheit“. Seine Mission sah Kraus darin, „Abgründe dort sehen zu lehren, wo Gemeinplätze sind – das wäre die pädagogische Aufgabe an einer in Sünden erwachsenen Nation; wäre Erlösung der Lebensgüter aus den Banden des Journalismus und aus den Fängen der Politik.“

Was würde Kraus heute angesichts der Kriegsbegeisterung unserer Politiker sagen? Wer nimmt es heute noch auf mit den „Rädelsführern der Weltverbrechen“? Ein Karl Kraus täte not, einer der loszetert gegen  die Verdummungs- und Manipulationstendenzen in unseren Medien, gegen die „Mordökonomie“, der Politiker so willfährig das Wort reden. „Steht auf“, rief er den Weltkriegsopfern zu, „seid wehrhafte Leichname, erscheint ihnen im Schlaf!“

Auch Karl Markovic schwingt sich in seiner Rezitation zu grandioser Emphase auf, schleudert Worte und Halbsätze wie Donnerschläge in den Zuschauerraum. Doch vermeidet er dabei jegliches vordergründige Pathos. Vielmehr meißelt er die Worte und Sätze aus den Kraus’schen Textungetümen heraus und stellt sie vor die Zuhörer hin wie Skulpturen. Das ist keine geringe Leistung angesichts einer Syntax, die schon den bloßen Leser vor Herausforderungen stellt. Die Concert-Schrammeln bieten da willkommene Zeit für das Setzenlassen und Nachwirken der Suadas.

Dabei hat Markovic mit durchaus vergnüglichen Einlassungen begonnen, zum Beispiel über die Besonderheiten von Sprache und Seinsart der Bewohner dieses „landschaftlich begabten Landes“. Da konnte man sich noch entspannt zurücklehnen und schmunzeln. Bei den „letzten Tagen der Menschheit“ war damit spätestens Schluss. Schier atemberaubend, wie Markovic die gesamte 54. Szene aus dem fünften Akt zu einer einzigen großen Sprech-Arie gegen Krieg und Kriegstreiber gestaltete. Das Publikum war aus dem Häuschen. So ähnlich muss es auch bei den Kraus-Lesungen gewesen sein…Eine großartige und faszinierende Leistung dieses grandiosen Schauspielers und Sprechkünstlers.

 

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