Das Festival Bayreuth-Barock hat sich im fünften Jahr etabliert

Barockoper in authentischer Umgebung

Zum fünften Mal lud der Counter Max Emanuel Cencic nach Bayreuth zu seinem Barock-Festival. Auch dieses Jahr wieder ein voller Erfolg.

Von Thomas Migge

(Bayreuth, 14. September) Zweimal im Jahreskreis erwacht die ansonsten verschlafene Kleinstadt Bayreuth. Erst zu den Wagner-Festspielen, international berühmt und dann im September zum immer bekannteren Bayreuth Baroque Opera Festival.

Und zu recht immer bekannter, denn dem Countertenor Max Emanuel Cencic ist es gelungen, als Intendant und Regisseur, Deutschlands schönstes historisches Theater, das Markgräfliche Opernhaus aus der Mitte des 18. Jh., zu neuem Leben zu erwecken. Cencis Festival präsentiert hier inzwischen jedes Jahr zwei Opern plus Recitals. In einem Ambiente, das perfekt zur Baukunst der italienischen Theaterarchitekten Giuseppe und Carlo Galli da Bibiena passt. Kein preiswertes Festival, aber die Veranstaltungen waren auch dieses Jahr ausverkauft.

10 Tage lang kamen die Freunde der Barockmusik auf ihre Kosten. Zunächst kam „Orlando Furioso“ von Antonio Vivaldi auf die markgräfliche Bühne. In der definitiven Fassung von 1727. Ein dramma per musica, das Regisseur Marco Bellussi, Bühnenbildner Matteo Paoletti Franzato und Kostümbildnerin Elisa Cobello als pralles Stück Entertainment inszenierten. Entertainment, weil die Geschichte um die Zauberin Alcina und die ebenfalls moralisch nicht einwandfreie Angelica, den vor Liebe durchdrehenden Orlando und die Liebeleien der Nebenpaare die Verwirrungen der Liebe – oder was sie als Liebe verstehen – auf ungemein unterhaltsame und witzige Weise präsentiert wird.

Das auf Barockmusik spezialisierte Orchester Il Pomo d’Oro unter der Leitung von Francesco Corti gab sein Bestes: eine spritzige und schnelle Interpretation dieser sehr farbenreichen Partitur. Die beiden Hauptdamen des Dramas Giuseppina Bridelli als Alcina und Arianna Vendittelli als Angelica hatten mit dem Tempo, das Corti vorgab, keine Probleme. Countertenor Tim Mead alias Ruggiero faszinierte mit der einzigen Arie mit Soloinstrument. Meads Interpretation von „Sol da te, mio dolce amore“, eine von der Traversflöte begleitete Liebeserklärung an Alcina, bewegte wohl jeden im Theater. Ein Counter ist auch der Ukrainer Yuriy Mynenko. Er sang den Titelhelden meisterhaft. Wem Mynenko bisher noch kein Begriff war: jetzt wird er sicher in aller Munde sein.

Regisseur Marco Bellussi inszenierte die Handlung als witziges und verwegenes Kammerspiel zwischen Paaren. Eine überzeugende Regie. Die Bühnenbilder mit Bäumen und Bäumen auch auf den Videoprojektionen sollten die Jahreszeiten der Liebe darstellen.

Oper Nummer 2, „Ifigenia in Aulide“ von Händels Londoner Gegenspieler Nicola Antonio Porpora, hätte man auch mit geschlossenen Augen hören können. Auch so wäre sie ein musikalischer und stimmlicher Hochgenuss gewesen. Christophe Rousset und sein Orchester Les Talent Lyriques, Garanten für perfekt interpretierte Musik des 18. Jh., boten eine grandiose Interpretation. Dazu ein Cast, der besser sicherlich nicht hätte sein können.

Counter Maayan Licht als Achille und sein Counter-Kollege Nicolò Balducci als Ulisse übertrumpften sich in ihrem Fach. Mary-Ellen Nesi ist ein reifer Mezzosopran. Sie sang eine strenge Clitennestra. Jasmin Delfs war Diana und Ifigenia. Ein Jung-Sopran der Spitzenklasse. Eine volle und ausnehmend gefühlvolle Stimme. Es sang auch Max Emanuel Cencic, der Festivaldirektor. Er interpretierte den Agamennone. Cencic Stimme ist ein kräftiger Alt, der von seiner vokalen Beweglichkeit fast nichts verloren hat.

Cencic war auch für die Regie verantwortlich. Eine Regie, die sicherlich funktioniert und der Handlung entspricht. Doch sie warf auch Fragen auf. Während der Ouvertüre erlegten Agamennone und seine Soldaten einen Hirsch im Hain der Göttin Diana. Und das taten sie splitternackt untenrum. Man sah alles und fragte sich: muss das so sein? Ist das nicht nicht etwas fragwürdig? Oder jagten die alten Griechen damals so?

Während die Kostüme Agamennones und der anderer männlicher Sänger im Anschluss an die Jagdszene an Wikinger erinnerten trug Clitennestra eine hohe Haartracht – wie sie im römischen Kaiserreich Mode war. Kurios erschienen zwei Läufer mit großen roten Fahren in den Händen, die vom rechten zum linken Bühnenrand liefen und umgekehrt. Das sah ziemlich nach Mao-Oper aus.

Wie auch immer man die Regie bewerten mochte: der Gesamteindruck dieser Inszenierung beweist – wieder einmal – dass Porpora seinem Londoner Konkurrenten Händel kaum nachsteht. Und sie beweist, wie auch die Vivaldi-Inszenierung, dass das Bayreuth Baroque Opera Festival ein Muss für Barock-Freaks ist.

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